Ein Ausflug in die Welt des Stressmanagements und der Ressourcenstärkung
Der Wecker klingelt, die ersten Nachrichten am Smartphone-Display leuchten auf. Der Blick in den Terminkalender sieht auch nicht besser aus. Es ist keine freie Minute im Büro möglich und danach gehen die privaten Termine weiter. Diesen Tag kann man nur mit einem Wort beschreiben: stressig! Dabei ist Stress an sich nichts Neues. Stress gehört sogar zum Leben dazu. Früher war es vor allem eine Kampf- oder Flucht Reaktion. Heute sind die Belastung psychosozialen Ursprungs und nicht hauptsächlich physischer Natur. Im modernen Alltag kommt Flucht oder Kampf als Bewältigungsmethode nicht mehr in Frage, man muss alternative Wege einschlagen. Stress ist auch nicht gleich Stress. Entscheidend ist die Dosierung und somit die Dauer, Stärke und Form von Stress, und wie damit umgegangen wird. Stress löst in unserem Körper physiologische Anpassungsmechanismen aus. Wie man eine Fremdsprache lernen kann, so kann man auch einen besseren Umgang mit Stress erlernen.
(Quelle: Dobas, G. & Paul, A. (2019). Mind-Body-Medizin. Integrative Konzepte zur Ressourcenstärkung und Lebensstiländerung. München: Elsevier GmbH.)
Was macht Stress mit uns?
Die Homöostase beschreibt das physiologische Gleichgewicht im menschlichen Organismus, welches nach einem stressigen Ereignis wieder hergestellt werden soll. Dauerhafter und oft wiederkehrender Stress bringt unsere Homöostase und unser neuronales Netzwerk aus dem Gleichgewicht. Dies kann zu Veränderungen in unserer Hirnstruktur führen. Die Amygdala vergrössert sich, der Hippocampus und der präfrontale Kortex schrumpfen. Das führt zu körperlichen und psychischen Beschwerden. Merkbare Auswirkungen von dauerhaftem Stress sind:
· eine geringere Belastbarkeit,
· Konzentrationsstörungen,
· schlechte Stimmung bis hin zu einem Ohnmachts-Gefühl.
Hin und wieder stellt Stress kein Problem dar, nur unter chronischen Stress „funktionieren“ Menschen nicht mehr richtig.
(Quelle: Koch, M., Rensing, L., Rippe, B. / Rippe, V. (2005). Mensch im Stress. Psyche, Körper, Moleküle. Berlin: Springer Verlag.)
Stressforschung – gängige Modelle.
Die schwitzenden Hände vorm ersten Date, der schnelle Herzschlag während der Präsentation. Woher kommt das Stress-Gefühl und warum reagieren wir darauf? Um die Thematik Stress und was dagegen hilft besser zu verstehen, wird nun ein Einblick in bekannte Stresstheorien gegeben:
Allgemeines Anpassungssyndrom
Selye (1936) stellt in seinem Stresskonzept die Folgen punktuellen und chronischen Stresses dar. Mit der Wahrnehmung eines Stressors folgt eine Reaktion und Anpassung darauf. Auf jede Anspannung muss eine Entspannungsphase folgen, da nur bei ausreichender Erholung ein gleichbleibendes Niveau zwischen Ruhe und Erregung gehalten werden kann. Kommt es in kurzen Abständen zu weiteren Stressoren, wächst das Erregungsniveau immer weiter an. Die Entspannungsphasen bleiben aus und der Körper kommt in ein Ungleichgewicht.
(Quelle: Kury, P. (2012). Der überforderte Mensch. Eine Wissensgeschichte vom Stress zum Burnout. Frankfurt: Campus Verlag.)
Stressmodell nach Lazarus
Lazarus (1974) beschreibt in seinem Modell, dass die Umwelt mit ihren Reizen immer auf uns einwirkt, und spricht von persönlichen Bewertungsebenen. Demnach wird Stress wesentlich von kognitiven Bewertungsprozessen mitbestimmt. Stress ist damit eine Interaktion zwischen Person und Umwelt. Es wurde nachgewiesen, dass Stress durch Einstellung und Erfahrung (Ressourcen) beeinflussbar ist. Man bewertet, ob der Stressor mit den eigenen Ressourcen behoben werden kann. Ist dies nicht der Fall, dann kann man problemorientiert vorgehen und die Situation ändern, oder emotionsorientiert und den Bezug zur Situation anpassen. Beide Wege führen zu einer Neubewertung und man lernt daraus für das nächste Mal.
(Quelle: Jäger, K. (2001). Überblick über die Stressforschung & das Stressmodell von Lazarus. München: Grin Verlag.)
Allostase – Stabilität durch Änderung
Nach Sterling (1988) dient Stress der psychischen und physischen Anpassung an sich verändernde Lebens- und Umweltbedingungen. Zentrales Stressorgan ist dabei das Gehirn. Es wird vor allem über die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse aktiviert. Die Homöostase beschreibt in diesem Zusammenhang das physiologische Gleichgewicht im menschlichen Organismus, welches immer eingehalten werden soll. Durch Allostase passt sich der Mensch kontinuierlich an veränderte Situationen an und schafft somit Stabilität. Eine dauerhafte Aktivierung führt zu allostatischer Last, die das Risiko für viele Erkrankungen erhöht. Die allostatische Last ist der Preis, den der Körper zahlt, um das Gleichgewicht (Homöostase) aufrecht zu erhalten. Das aktuelle, biopsychologische Stressmodell ist das Allostase-Modell.
(Quelle: Allostatische Last, online unter: https://unipub.unigraz.at/obvugrhs/download/pdf/485608?originalFilename=true)
Alle drei Theorien haben einen gemeinsamen Kern: ein Individuum reagiert auf die Umwelt. Soweit so gut, aber was kann man tun, dass einem das Stressgefühl nicht zu Kopf steigt?
Ressourcenstärkung und Stressmanagement, die Antwort auf Stress.
Stress ist nicht gleich Stress. Was manche Menschen völlig aus der Bahn wirft und sie zu Schweißausbrüchen bringt, lässt andere völlig kalt. Stress ist ein subjektives Empfinden und kann von verschiedenen Faktoren ausgelöst werden. Dabei müssen diese Faktoren nicht immer unterschiedlich sein, sondern manche Menschen können einfach besser damit umgehen. Sie haben bessere „Ressourcen“, auch Coping-Strategien genannt, um mit Stress umzugehen. Wir bewerten andauernd unsere Umwelt und reagieren darauf, ganz unbewusst. Nach Lazarus entsteht dann Stress, wenn wir Situationen entdecken, zu deren Bewältigung wir nicht die richtigen Ressourcen haben. Auf jeden Reiz folgt eine Reaktion. Wie wir reagieren, hängt also von unseren Ressourcen ab. Diese Ressourcen sind ganz verschieden. Im Grunde geht es aber immer darum, wie wir mit Problemen umgehen und Gefahren beseitigen.
Ressourcen können einerseits problemorientiert sein und man versucht die Situation zu ändern. Andererseits, können sie emotionsorientiert sein und man ändert den Bezug dazu. Problemorientiert bezieht sich auf Lösungsansätze und emotionsorientiert können Atemtechniken sein, um dem Gehirn zu signalisieren, es ist alles ok, „komm runter“.
Das nächste Mal, wenn die innere Unruhe steigt und man nervös zu schwitzen beginnt, nicht dem Stress-Gefühl nachgeben, sondern die Situation analysieren. Warum fühle ich gerade so? Was macht das mit mir? Nach dieser ersten Bewertung kann man feststellen, ob man eine Lösung parat hat, oder ob man nichts an der Situation ändern kann. Beim zweiten Fall, muss man lernen damit besser umzugehen und an der eigenen Einstellung dazu arbeiten.
(Quelle: Dobas, G. & Paul, A. (2019). Mind-Body-Medizin. Integrative Konzepte zur Ressourcenstärkung und Lebensstiländerung. München: Elsevier GmbH.)
Take home message.
Biologisch gesehen ist Stress die Antwort unseres Körpers auf Umwelteinflüsse, die uns im ersten Moment überfordern. Dauerhafter Stress macht krank, aber hin und wieder auftretender Stress gehört zu unserem Leben dazu. Durch die richtige Auseinandersetzung mit der stressigen Situation, kann entweder die Situation gelöst oder die Einstellung dazu verändert werden. Stress kann, wenn er wohldosiert auftritt und bewältigt wird, neue Lösungsstrategien und eine flexible Problembehandlung ermöglichen. Stress ist also generell weder gesund, noch macht er krank. Jedoch zu viel davon und der falsche Umgang damit stellen eine Bedrohung für das Wohlbefinden dar.
(Quelle: Dobas, G. & Paul, A. (2019). Mind-Body-Medizin. Integrative Konzepte zur Ressourcenstärkung und Lebensstiländerung. München: Elsevier GmbH.)
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